Tage Alter Musik in Herne 2024

am Do 14.11.24 20:00 Uhr





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Anfahrtsskizze

REDUCE – REUSE – RECYCLE

In Paraguay gibt es das »Recycled Orchestra«, gegründet von
dem Musiker und Umwelttechniker Favio Chavez. Er ist in die
Slums von Cateura gegangen, wo die Menschen vom Recycling
dessen leben, was sie auf der Mülldeponie finden. Auch die Instrumente
des Recycled Orchestra bestehen aus solchen Materialien:
eine Geige aus Dosen, Holzlöffeln und Metallgabeln, das Saxofon
aus einem Abflussrohr, der Korpus eines Cellos aus einem Ölfass.
Darauf klingt eine Solosuite von Johann Sebastian Bach erstaunlich
sonor, wovon man sich im Dokumentarfilm »Landfill harmonic«
überzeugen kann. Man weiß kaum, was man an Chavez’ Initiative
mehr bewundern soll, die Bewusstseinsschärfung für Umweltfragen,
den sozialpädagogischen Impuls oder einfach den
Akt der wundersamen Verwandlung des Materials.

Bei den TAGEN ALTER MUSIK IN HERNE halten wir unter dem
Motto »Reduce – Reuse – Recyle« auch jede Menge Verwandlungen
bereit. Aber eher solche, die sich in den Noten, nicht in den
Instrumenten finden. Einmal abgesehen davon, dass allein die
Verwendung von historischen Instrumenten, ob im Original oder
im Nachbau, wie sie bei den heutigen Ensembles der Alten Musik
üblich ist, schon eine Art Up-Cycling-Prozess darstellt.
Wenn »Recyling« echte Wiederverwertung meint, dann ist Bachs
Aneignung von Giovanni Battista Pergolesis »Stabat Mater« eine
solche, denn er reicherte das schon zu seiner Zeit berühmte Werk
nicht nur musikalisch an, sondern machte daraus ein Gebrauchsstück
für den protestantischen Gottesdienst in Form der Psalmkantate
»Tilge, Höchster, meine Sünden« (B’Rock Orchestra am 15.11.).
Seine sogenannten »Englischen« Suiten hat der junge Bach in
Weimar für den eigenen Gebrauch zur Demonstration seiner klavieristischen
Fähigkeiten geschrieben. Das d-Moll-Präludium der
6. Suite ragt in dieser Sammlung mit seinen monumentalen Dimensionen
hervor. Es ist eine Mischung aus Fuge und italienischem
Concerto mit einem quasi improvisatorischen Beginn. Das ist weit
entfernt von den französischen Vorbildern für ein »Prélude« zu einer
Suite und quasi das Gegenteil einer »Reduktion«. Wohl aber
eine für Bach typische Art der Aneignung: der aufmerksame, genial
weiterentwickelnde Umgang mit den musikalischen Universen
seiner Zeit (Mahan Esfahani am 17.11.).

Eine Kunstproduktion, die höchsten Ansprüchen genügt und sich
zugleich des Vergangenen bedient, findet man schon im ausgehenden
Mittelalter in der »Ars subtilior«. Hier wurden die Prinzipien
der Isorhythmie und der Chromatik auf die Spitze getrieben,
und es entstand eine Ausdrucksdichte, die auch heute noch fasziniert
(Tasto Solo am 15.11.).

Etwas überspitzt formuliert, ist das Zeitalter der Renaissance
die erste Vintage-Bewegung. An deren Ende wollte man in Italien
mit der Erfindung der Monodie sogar die Gesänge der griechischen
Antike wiederbeleben. In dieser Epoche zeigte ein Komponist
wie Antonio de Cabezón nun eine andere Art von
Kreativität in der Aneignung von populären Volksliedern, die er
für kontrapunktische Kunststücke in seinen Tientos verwendete
(Capella de la Torre am 16.11.).

Es gibt in der Musikgeschichte aber auch Beispiele echter Wiederverwertung.
Der Dichter und Musiker Aquilino Coppini, der in
Diensten des Mailänder Kardinals Federico Borromeo stand,
suchte sich aus Claudio Monteverdis Madrigalbüchern die passendsten
Stücke heraus und versah sie mit neuen geistlichen
Versen. Das Besondere dabei: Diese Texte sind eine Art geistliche
Übersetzung der weltlichen Madrigaldichtung und behalten deren
Phoneme, Akzente und Rhythmen bei. Also auch auf der Ebene
der Dichtung eine Art Wieder- oder Weiterverwertung (Voces
Suaves am 17.11.).

Wie eine Verschwendung kreativer Energien wirkt es, wenn sich
zwei Komponisten und Rivalen wie Giacomo Antonio Perti und
Giacomo Cesare Predieri in Bologna am Karfreitag 1704 in zwei
gegenüberliegenden Kirchen ein künstlerisches Duell liefern, indem
sie zur selben Stunde in Text und musikalischer Anlage ganz
ähnlich konzipierte Passionsoratorien aufführten. Einige Jahre
später besann sich Perti auf eine Art musikalische Ökonomie
oder sogar Wiederherstellung eines musikalisch-ökologischen
Gleichgewichts: Er mixte seine Musik mit Teilen aus der Partitur
seines Kollegen, was im 18. Jahrhundert noch als ein Akt der
Wertschätzung galt und nicht als Verletzung eines Urheberrechts
(Arsenale Sonoro am 16.11.).

Charles Burney schrieb über Franz Benda, den Konzertmeister
von Friedrich dem Großen, dass er sich einen großen Ruhm erworben
habe nicht bloß durch seine »ausdrucksvolle Manier« die
Violine zu spielen, sondern auch durch seine »sehr schönen und
reizenden Kompositionen für dieses Instrument«. In welch unterschiedlicher
Form sich Benda die Solostimme in seinen Sonaten
dabei vorstellte, das zeigen die beiden Alternativ-Fassungen der
Violinpartie in einer Abschrift seines Meisterschülers Friedrich
Wilhelm Rust, die der Nachwelt erhalten blieb. Da entsteht in
der Aufführung beim Wiederholen eines Satzabschnitts im Sinne
eines Recycling-Vorgangs eine neue kompositorische Gestalt
(Ludus Instrumentalis am 14.11.).

Bei mehrstimmiger Musik erwartet man, dass sich die Konstruktion
der Harmonien nur nachvollziehen und bewahren lässt, wenn sie
genau in Noten notiert ist. In Wirklichkeit aber entwickelte sich
die Mehrstimmigkeit im Mittelalter aus einer improvisatorischen
Praxis. Auch dazu gab es Regeln. Aber gelingen konnte ein solches
Musizieren nur, wenn die Sänger die Fähigkeit besaßen, die vorgegebene
Choralmelodie in einer Ad-hoc-Vergegenwärtigung
weiter zu benutzen und zu überformen. Ein musikalisches Ereignis,
das z. B. die Pilger in der Kathedrale von Santiago de Compostela
erleben konnten (Per-Sonat am 16.11.).

Bei Wolfgang Amadeus Mozart schließlich fließt alles zusammen:
»Reuse« in ideeller Hinsicht, indem sein »Idomeneo« noch in der
Tradition der Gluck’schen Reformopern steht; »Reduce«, indem
der Komponist nicht davor zurückschreckte, das Werk selbst während
der Probenphase noch ohne Hemmungen zu kürzen (in Herne
erklingt die Münchner Uraufführungsversion von 1781); »Recycling
«, indem Mozart die Abläufe aus Rezitativen und Arien in
der italienischen und aus Chor- und Ballettszenen in der französischen
Oper aufs Wesentliche konzentrierte und daraus seinen originären
Opernstil kreierte (Helsinki Baroque Orchestra am 17.11.).

Im Programm der TAGE ALTER MUSIK IN HERNE geht es neben
solchen dramaturgischen Besonderheiten immer auch und vor
allem um spannende Konzerterlebnisse mit Ensembles, die aus
ganz Europa anreisen und fast alle ihr Debüt bei unserem Festival
geben. Im Kulturradio WDR 3 werden sie in den Live-Übertragungen
und den Konzertsendungen, die sich bis in den Januar anschließen,
ein überregionales, später in den Übernahmen durch
die European Broadcasting Union ein internationales Publikum
finden.

Außerdem sind als aktuelle journalistische Sendungen die WDR 3
Tonart und das Tafel-Confect von BR-KLASSIK vor Ort und laden
das Publikum in ihre Live-Sendungen am Freitag Nachmittag und
Sonntag Mittag ein.

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