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Komponistinnen
Aliette de Laleu
Karlsruhe: Noten - Abteilung
Karlsruhe: Büchertisch im Staatstheater
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Aliette de Laleu, geb. 1991, ist Musikwissenschaftlerin, Journalistin (u. a. beim Radiosender France Musique) und Publizistin. Petra Willim, geb. 1957, ist Literaturwissenschaftlerin und freie Übersetzerin. 2005 wurde sie mit dem Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Nein, Mozart war keine Frau. Aber dieser Komponist verkörpert wie kaum ein anderer die Vorstellung von der klassischen Musik: ein weißer Mann mit Perücke vor seinem Cembalo, ein Wunderkind, ein etwas verrücktes Genie, ein Schöpfer zeitloser Werke ... Und doch lebte eine Frau in seinem Schatten: Maria Anna Mozart. Obwohl ebenso brillant wie ihr Bruder, wurde sie aus der Musikwelt ausgeschlossen, damit sie sich ihren ehelichen Pflichten widmen konnte. Niemand hat ihren Namen im Gedächtnis behalten. Selbst in Milos Formans Amadeus (1984), einem Film, der das Leben des Komponisten der Zauberflöte nachzeichnet, kommt die Schwester Mozarts nicht vor. Der Wunderknabe spielt dort allein auf seinem Klavier, während in der geschichtlichen Wirklichkeit Maria Anna Mozart stets an seiner Seite war. Sie wurde ebenso wie er für ihre musikalische Begabung gerühmt, bevor sie von der Bühne wie auch - zum Schweigen gesellt sich das Vergessen - aus Büchern, Filmen und der Geschichte verschwand.
Mozart war eben auch eine Frau. Genauso wie Schumann, Mendelssohn, Mahler oder Bach, obgleich uns bei diesen Namen als Erstes Männer einfallen. Und wenn man darüber nachdenkt, so bietet uns das Universum der klassischen Musik insgesamt ein sehr maskulines Bild. Männer komponieren Meisterwerke, diese werden auf CDs zusammengestellt und nehmen in der Programmplanung von Festivals und Konzerten den allergrößten Raum ein. Männer sind die Verfasser der zehn weltweit meistgespielten Opern. Ein Mann steht, den Taktstock in der Hand, vor dem Orchester. Männliche Experten sprechen über klassische Musik, entschlüsseln, analysieren und kritisieren sie. Welche Erzählung gibt man also weiter, wenn man von klassischer Musik spricht? Eine der Männer.
Dabei könnte man es belassen und sich sagen, dass die klassische Musik immer schon von Männern erdacht und erschaffen wurde und dass dieser Themenbereich ihnen gehört. Sicher, es ist beruhigend, immer die gleichen Geschichten zu hören, wie ein Kind, dem man sein Lieblingswiegenlied allabendlich singt. Man zieht es vor, sich an das zu klammern, was man kennt. Aber sich ins Unbekannte vorzuwagen bietet einen sehr viel reicheren Genuss der klassischen Musik. Es ist an der Zeit, unsere Vorstellungen von Grund auf umzustoßen, da sie über Jahrzehnte verhinderten, dass eine andere Erzählung zum Vorschein kommen konnte - die der Frauen.
Dieses Buch geht das Wagnis ein, diese Geschichte zu erzählen. Nicht um die der Männer zu schmälern, sondern um der anderen Seite zur Existenz zu verhelfen, um eine Form der Ausgewogenheit herzustellen und all jenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die es verdient haben, gekannt und anerkannt zu werden. Warum sich mit der x-ten Biographie Beethovens begnügen, wenn man das Schicksal all dieser außergewöhnlichen Persönlichkeiten entdecken kann? Zu jeder Zeit und in jedem Land gab es wagemutige und zaghafte Frauen, Frauen voller Kampfgeist, weibliche Glückskinder, weibliche Strafgefangene, Marquisen, Ehefrauen, Schwestern, Nonnen, Divas, Waisenmädchen, Fromme oder Femmes fatales, die einen Platz in der klassischen Musik eingenommen haben. Manche haben Neuerungen eingeführt wie etwa Élisabeth Jacquet de La Guerre am Cembalo, andere haben, wie Pauline Viardot, Freiräume kreiert, um die Musik lebendig zu halten - wir werden ihnen im Verlauf dieses Buches wiederbegegnen. Sie alle haben dazu beigetragen, die klassische Musik zu dem zu machen, was sie heute ist.